„Alleine bin ich schwach“

Rösrath - „Ich habe sehr viel Mist erlebt“, sagt Ayanda. „Da habe ich mir gedacht, dass ich einen Song darüber schreibe. Es muss irgendwie raus.“ Der 16-Jährige drückt sich zurückhaltend aus: „Mist“ steht für Gefühle der Fremdheit als Afrikaner in einer weißen Umgebung, für Ablehnung wegen des Andersseins, für rassistische Beleidigungen und sogar die Drohung mit Gewalt. In Swasiland geboren, begegnete Ayanda als Kleinkind seinen deutschen Eltern, die damals in dem afrikanischen Land lebten. Sie zogen mit dem Jungen nach Deutschland, wo er in Rösrath in den Kindergarten ging. Als einziges afrikanisches Kind fühlte Ayanda sich dort unbehaglich. „Dann sollten wir malen“, erinnert er sich an seine ersten Schritte in der Kindertagesstätte, „da haben sie sich über meine Malkunst lustig gemacht.“ Für Ayanda kam das Gefühl auf, nicht akzeptiert zu sein: „Es war eine ziemlich komische Stimmung da.“
Später, in der Käthe-Kollwitz-Schule, erlebte Ayanda Schlimmeres: Ein Schulkamerad, der „was gegen Ausländer hatte“, warf ihm auf dem Nachhauseweg eine Murmel mit voller Wucht an den Kopf. Ein andermal sagte er hinter der Schule zu seiner Gang: „Ich verdresche morgen diesen Neger.“ Er sagte es so laut, dass Ayanda es hören konnte. Dann bedrohte der Schulkamerad Ayanda direkt: „Morgen bist du dran.“ Die Drohung wirkte glaubhaft, auch weil der fremdenfeindliche Schulkamerad ein Messer bei sich trug. Außerdem lauerte er Ayanda auf - zusammen mit mehreren Gleichgesinnten. „Der wollte mir ans Leder“, sagt Ayanda, „ich hatte richtig Schiss rauszugehen.“ Ayanda und seine Mutter Ingrid Jaax informierten Klassenlehrerin und Rektor, die nachfolgenden Gespräche und Konferenzen konnten das Gefühl der Bedrohung aber nicht ausräumen - obwohl der fremdenfeindliche Schüler später von der Schule verwiesen wurde.
„Afrikaner haben Angst in Deutschland“, sagt Jaax - auch mit Blick auf den rassistischen Überfall auf einen aus Afrika stammenden Deutschen in Potsdam. Auch in Rösrath hat sie eine Szene von Jugendlichen beobachtet, die sich an rechten Parolen orientieren.
Außerhalb der Schule erlebte Ayanda ebenfalls Ablehnung wegen seiner afrikanischen Herkunft. So verlangte er als kleiner Junge in einer Kölner Eisdiele Vanilleeis. Daraufhin sagte ein älterer Mann zu dem Verkäufer: „Geben Sie dem Jungen doch Schokoladeneis, das passt besser zu seiner Hautfarbe.“ Ayanda war zunächst baff. „Ich habe aber mitbekommen, dass der Mann mich beleidigen wollte“, erzählt er. Er bekam sein Vanilleeis, doch so richtig wollte es ihm nicht schmecken.
Erfahrungen wie diese verarbeitet Ayanda, der inzwischen ein Internat in Westfalen besucht und nur in den Ferien nach Rösrath kommt, durch Musik. Schon mit drei Jahren fing er an zu trommeln, heute spielt er Schlagzeug, singt, tanzt. Als Kind sammelte er mit einer Band in Afrika erste Bühnenerfahrung, auch in Deutschland trat Ayanda vor Publikum auf. Er interpretierte die Raps anderer Musiker - jetzt hat er seinen ersten eigenen Song produziert: Der Titel „Heb die Hand hoch“ fordert dazu auf, dem alltäglichen Rassismus entgegenzutreten. „Alleine bin ich schwach, doch zusammen sind wir stark“, heißt es in Ayandas Sprechgesang. „Ich habe rassistische Scheiße selbst schon erlebt, hab mich nicht aufgeregt, weil ich zum Glück noch weiterleb“, fährt der Text fort. Er blickt auch über die Situation in Deutschland hinaus und erinnert an „sinnloses Morden aufgrund von Hautfarbe und Religion“ in aller Welt. In seiner Musik orientiert sich der 16-Jährige an Vorbildern, die er vor allem im US-amerikanischen Rap findet. In den USA, aber auch in Afrika und anderswo ist Rap eine Musikform, in der vor allem Jugendliche ihren Protest ausdrücken. Wenn er Musik macht, folgt Ayanda ganz seinem Gefühl: Noten hat er nie gelernt, obwohl seine Musiklehrer sie ihm beibringen wollten. „Die Afrikaner machen es vom Gehör her“, sagt Ayanda.
(KStA) http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1144673372165
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