RAP + HIP HOP + MUSIC + DRUMS + DANCE + ACTING + THEATER

Samstag, Januar 13, 2007

Die Schreie der Rapper

Mit einiger Verspätung habe ich zwei Kritiken in den beiden Kölner Zeitungen gefunden.

Der Kölner Stadt Anzeiger schreibt am 09.01.2007

Die Schreie der Rapper
Ein Stück über Gewalt, Rassismus und Drogen
Jugendliche aus Ehrenfeld spielten im Arkadas-Theater/Bühne der Kulturen, was sie im Alltag erleben.
VON TOBIAS NEUHAUS
Ehrenfeld - Im letzten Moment kommt es dann doch - das Lampenfieber. Ende Oktober vorigen Jahres hatten die acht, größtenteils in Ehrenfeld lebenden Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren begonnen, mit der Regisseurin Aysun Yintar-Vogel vom Arkadas-Theater/Bühne der Kulturen das Stück "Kool und Krass" vorzubereiten. Vier Mal die Woche traf sich das Ensemble für jeweils zwei Stunden zur Probe im Bürgerzentrum, und die Vorfreude auf die Premiere war riesengroß. Aber dann, kurz vor der Aufführung, als immer mehr Publikum kommt, da rutscht Rico das Herz mächtig in die Hose. "Ich bin plötzlich total aufgeregt", gesteht der 15-Jährige, "viele von den Zuschauern kenne ich ja, und da hat man auch Angst, sich so richtig zu blamieren." Das Theater ist für die meisten der Jugendlichen, die an diesem Abend zu Gast sind, absolutes Neuland. Wenn überhaupt, kennen sie es von Ausflügen, die sie mit der Schulklasse oder mit dem Jugendclub unternommen haben. Auf einer Bühne gestanden hat zuvor kaum einer von ihnen. Und vielen der jungen Zuschauer, die gekommen sind, um ihre Freunde beim Spiel im Scheinwerferlicht zu sehen, sind die Bedingungen einer solchen Aufführung alles andere als vertraut. Die künstliche Ruhe provoziert Zwischenrufe. Und als die Bekannten plötzlich in weißen Engelskostümen auftreten und mit sanfter Stimme von Liebe und Schönheit sprechen, da wird erst einmal gemauschelt und gelacht. Sich so zu zeigen, braucht eine Menge Mut und Selbstvertrauen. Das spürt aber auch bald das Publikum, das Kichern wird leiser, verstummt bald ganz.

In den Szenen geht es um Gewalt, Rassismus, Vorurteile, Toleranz und Drogen - Probleme, die den Jugendlichen aus der Schule, dem Jugendzentrum und von der Straße bekannt sind. Die Darsteller kommen aus französischen, türkischen, italienischen, deutschen und russischen Familien. Und so unterschiedlich ihr kultureller Background ist, so vielfältig sind die Sichtweisen, in denen sie ihr Alltagsleben auf der Bühne präsentieren. Mal ist die Straße die Kulisse, mal eine Disco, das Klassenzimmer oder die Küche einer türkischen Familie. Die Geschichte einer verhinderten Romanze wird in pompösen Kostümen als Märchen in Szene gesetzt, der Wunsch nach einer besseren Welt als Rap herausgeschrien. Dass die Konfliktsituationen nachgestellt, jedoch keine Lösungen geboten werden, gehört zum Konzept des Theaterprojektes "Kool und Krass". "In dem Bühnenstück sprechen wir die Situationen an", so die Regisseurin, "wie man sich in ihnen zurechtfindet und sich im Alltag orientiert, das kommt anschließend."

Die Aufarbeitung folgt in einem weiteren Schritt. Unter pädagogischer Anleitung beraten die Schüler, was sie gesehen, vielleicht auch schon in ähnlicher Weise selbst erfahren haben - und wie man damit am besten umgehen kann. Der Ansatz des Projektes ist, Jugendliche für Konfliktsituationen zu sensibilisieren und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, eigene Lösungen zu entwickeln. "Das Projekt soll den Jugendlichen helfen, Gewalt und Kriminalität selbständig vorzubeugen", fasst Aysun Yontar-Vogel zusammen. Unterstützung erhält das Jugendtheaterprojekt vom "Veedelsmanagement Ehrenfeld", wo Ilknur Alkan mit der Projektleitung betreut ist. Der Verein stellt die Verbindungen zu den Ehrenfelder Einrichtungen, wie dem Bürgerzentrum und dem Nonni Club her, die dem Ensemble bei Planung und Realisation des Projektes unter die Arme griffen.

Nach der gelungen Premiere von "Kool und Krass" hofft das Theater nun auf weitere Aufführungsmöglichkeiten. "Das Stück lässt sich prima an Schulen aufführen, wo es dann anschließend im Unterricht besprochen werden kann", so Lale Konuk, die Geschäftsführerin des Arkadas-Theaters. Und die Aussichten sind gut. Noch am Premierenabend informieren sich Lehrer von Schulen aus der Nachbarschaft genauer über das Projekt. Sieht ganz so aus, als werde hinter der Bühne das Lampenfieber bald wieder steigen.

Bildunterschrift: Die Moden ändern sich, die Probleme sind seit jeher dieselben. Im Rokoko-Look stellte das junge Ehrenfelder Ensemble eine Liebesszene, wie sie sich auf jedem Schulhof abspielt, als Märchen nach. BILD: NEUHAUS

Online KStA


In der Kölnischen Rundschau vom 04.01.2007 lesen wir:

Konflikte "theatralisch" gelöst
Schüler brachten Stück über Gewaltprävention auf die Bühne
von ANGELIKA STAUB

EHRENFELD. "Gewalt kennen wir schon aus Märchen. Wir brauchen neue Märchen, neue Vorbilder. Gebt sie uns!" Die Aufforderung der neun jugendlichen Schauspieler sorgte bei den Zuschauern im Arkadas-Theater für Gänsehaut-Gefühle. Offensichtlich war die Botschaft im Publikum - bei den Vertretern von Schulen und Sozialeinrichtungen sowie Eltern - angekommen. "Kool und Krass" heißt das Theaterprojekt, mit dem Aysun Yontar-Vogel (Bühne der Kulturen) und Ilknur Alkan (Veedelsmanagement Ehrenfeld) auf Tournee gehen wollen, durch Einrichtungen des Stadtteils. Das Ziel: "Kinder und Jugendliche für Fehlverhalten zu sensibilisieren und dieses nachhaltig positiv zu verändern", hieß es in einem Flyer, der zur eintrittsfreien Premiere verteilt wurde. Theaterpädagogin Aysun Yontar-Vogel erklärte: "Wir wollen Schwächen ab- und Stärken aufbauen - mit Theater, Musik, Tanz und Sport." Als Kooperationspartner konnten die beiden Initiatoren den Jugendtreff "Nonni-Club" und das Bürgerzentrum "Büze" hinzu gewinnen.
Am Ende stand auch das Ensemble fest: Neun Jugendliche im Alter zwischen 13 und 17 Jahren unterschiedlicher kultureller, religiöser und ethnischer Herkunft - gleich der Vielfalt des ganzen Stadtteils. Fleißig studierte das Team die Szenen ein, die Yontar-Vogel zusammengestellt hatte, ein, bis die Nachwuchskünstler reif für die Premiere waren. Die fand vor vollbesetzten Zuschauerrängen statt. Eine schwierige Situation, zumal Schulleiter, Sozialarbeiter und Bezirksvertreter im kritischen Publikum saßen, ebenso Klassenkameraden sowie Freunde. Auch sie zeigten sich vom gewaltpräventiven Stück begeistert und drängten die Akteure im Anschluss: "Wann kommt ihr zu uns?"

Die Botschaft des Theaterstückes war angekommen. Weg von Drogen, Gewalt, Rassismus und Intoleranz. Hin zu mehr Menschlichkeit und Liebe. Doch: "Man kann nicht lehren, was man selbst nie erfahren hat." So hatten es die drei weiß gekleidete Engelchen auf Schaukeln verkündet. In diesem Fall ist "Kool und Krass" genau richtig. Eine Schule meldete ihr Interesse bereits an. Ob sie das Jugendensemble engagieren oder die eigenen Schüler als Schauspieler einsetzen wird, ist noch unklar. Fest steht jedoch, dass das Theaterstück einen geeigneten Einstieg in das Konflikttraining bietet.